OLIVIER MESSIAEN (1908 – 1992)
LA NATIVITÉ DU SEIGNEUR (1935
4. Le Verbe
an der Domorgel: Domorganist Klaus Kuchling
Der Zyklus ist für die Weihnachtszeit bestimmt.
Fünf Hauptgedanken liegen ihm zugrunde.
1. Unsere Vorbestimmung, die durch die Fleischwerdung des Wortes Wirklichkeit
wird (Gottes ewiger Heilsplan).
2. Gott lebt in unserer Mitte (Gott unter uns), Gott leidet (Jesus nimmt das
Leiden auf sich).
3. Die drei Geburten: die ewige des Wortes (Das Wort), die zeitliche des Christus
(Die Jungfrau and das Kind), die geistliche der Christen (Die Kinder Gottes).
4. Beschreibung einiger Gestalten, die dem Weihnachts- and Epiphaniasfest
eine besondere Poesie verleihen; die Engel (Nr. 6), die Hirten (Nr. 2), die Weisen (Nr. 8).
5. Neun Stücke insgesamt, um die Mutterschaft Mariens zu ehren.
IV. Das Wort
,Der Herr hat zu mir gesagt: Du bist mein Sohn. Aus seinem Herzen, ehe die
Morgenröte erschaffen war, hat er mich gezeugt. Ich bin das Abbild der Güte Gottes,
ich bin das Wort des Lebens, von Anfang an.“ Ps. 2, 7 / Ps.109, 3 / Weish. 7, 26 / 1. Joh. 1, 1).
Die ewige Zeugung des Wortes ist etwas Unaussprechliches. Da uns jedoch in der
Weihnachtszeit das Nachdenken darüber empfohlen wird, bedarf es eines Kommentars,
and sei er noch so unwürdig.
Das Stück besteht aus zwei Teilen. Das Hauptthema des ersten Teiles ist ein
langsamer Abstieg der Zungenstimmen im Pedal, der an das furchterregende
Fortissimo der langen Trompeten des jüngsten Gerichts von Michelangelo und
auch an gewisse Posaunenthemen bei Wagner denken lässt. Man beachte bei
diesem Thema den hinzugefügten Wert, der den Fall beschleunigt, und den
hinzugefügten Punkt, der ihn verlangsamt. Außer dem Gebrauch des weichen,
goldschimmernden Akkords auf der Dominante hört man auch noch einen
rhythmischen Kanon im dritten „begrenzt transponierbaren Modus“ über den
Antibacchius des Themas.
Der zweite Teil symbolisiert das Wort. Er ist ein langes Cornett-Solo, das
gleichzeitig, durch seine Einteilungen, aus den Sequenzen der Gregorianik
(„Victimae paschali laudes“ – Ostersequenz), durch seinen Charakter aus den
Hindu-Ragas, durch die die feierliche Melodie überladenden Arabesken aus den
kolorierten Bach-Chorälen hervorgeht – and das den zweiten begrenzt
transponierbaren Modus mit chromatischen oder tonalen Harmonien und den
siebten Modus der Gregorianik (oder die mixolydische Tonart) recht eigenartig
miteinander vermischt.